Winterschlaf auf Madeira

Es ist ruhig geworden auf unserer Insel.

Die Weihnachts- und Silvester-Saison ist vorbei. Die bunten Lichter und die wunderschönen Weihnachtsdekorationen werden abgebaut. Der große Touristenansturm blieb aufgrund von Corona aus. Und die wenigen Gäste, die über die Feiertage zu uns gefunden hatten, sind mittlerweile abgereist.

Auf dem europäischen Festland steigen die Corona-Fälle nach wie vor. Die Lockdowns in den Ländern wurden neu ausgerufen oder wiederholt verstärkt. Und auch wir sind von den ansteigenden Infektionszahlen nicht verschont geblieben. Vor zwei Wochen wurden wir vom RKI in Deutschland als Risikogebiet eingestuft. Die niedrigen Fallzahlen auf unserer Insel und die damit verbundene Leichtigkeit sind vorbei.

Unsere Regionalregierung versucht die Situation in den Griff zu bekommen. Jede Woche werden neue Maßnahmen und Restriktionen beschlossen. Wir sind nicht sicher, wie schnell und effektiv die neuen Regelungen hier greifen werden. Derzeit gibt es eine Ausgangssperre von 19.00 Uhr abends bis 5.00 Uhr in der Früh unter der Woche und am Wochenende bereits ab 18.00 Uhr abends. Darüber hinaus werden Schulen geschlossen und Teamsportarten untersagt. Vielleicht bringen diese Maßnahmen den gewünschten Erfolg oder aber nichts, und wir werden einen neuen Lockdown bekommen. Das Ergebnis bleibt auf jeden Fall das gleiche – es ist ruhig geworden auf unserer Insel.

Den ein oder anderen unerschütterlichen Touristen treibt es natürlich und zum Glück immer mal wieder nach Madeira, aber die Anzahl der Urlauber bleibt überschaubar und sehr gering.

Wir haben dadurch alle Zeit der Welt, die kleinen Dinge des Lebens, die der Alltag für uns bereit hält, zu genießen. Werden sie doch nur allzu gerne in der täglichen Routine ansonsten übersehen. Generell habe ich eh den Eindruck, dass das Leben hier auf der Insel etwas langsamer stattfindet. Das genieße ich wirklich sehr. Und jetzt, durch die starken Restriktionen und die fehlenden Touristen und der damit verbundenen vielen Freizeit die wir haben, kommt uns das Leben fast schon ein wenig wie in Zeitlupe vor – irgendwie surreal.

Bei aller Langsamkeit und Entspanntheit, werden auch wir auf Madeira nicht vom Klimawechsel verschont. Aber für die einheimischen Insulaner ist dies bisweilen sogar eine sehr willkommene Abwechslung. So hatten wir mehrere Tage lang richtig viel Schnee in den Bergen.

Alle Madeirenser fuhren mit ihren Wagen hinauf, um den Kindern die weiße Pracht zu zeigen. Das führte zu chaotischen Verhältnissen auf den Bergstraßen, denn Winterreifen sind auf dieser Sonneninsel unbekannt. Und Streugut, um die Straßen zu sichern, kennt auch niemand.

Auch fehlte den meisten die warme Kleidung, um dort oben länger auszuharren. Aber dafür gab es schnell eine Lösung. Schließlich hat man hier den Poncha erfunden. Den man dann nach dem Ausflug in einer der zahlreichen Bars genießen kann. Dieses Getränk mit viel Rum und süßem Zucker oder Honig sowie frischem Zitronen- oder Orangensaft erwärmt die Glieder und bringt auch schnell wieder Farbe ins Gesicht. Aber Vorsicht, bei allem Genuss, die Abstandsregeln müssen auch hier eingehalten werden.

Zum Glück sind wir hier unten in Funchal, so knapp über dem Meeresspiegel, von den kalten Witterungen halbwegs verschont geblieben. Wir genießen hier die immergrüne Fora und Fauna in vollen Zügen. Zum Beispiel beginnt jetzt die Calla-Blüte. Ich liebe diese weißen eleganten Blumen. Es gibt sie auf der Insel in Hülle und Fülle. Von Januar bis in den Sommer hinein findet man sie an feuchten Stellen überall wild wachsend. Auch in unserem Beet direkt hinter dem Pool sind die ersten Blüten schon offen.

Links und rechts der Straßen blüht auch die Baum-Aloe. Ihre roten Blüten ragen zu Hunderten in den Himmel und leuchten schon von weitem. Die Gänsedisteln sind viel verbreitet und ein schöner Farbtupfer in der Landschaft. Nicht zu vergessen sind die Weihnachtssterne. Anders als ich sie aus Deutschland in kleinen Töpfen kenne, wachsen sie hier riesengroß als Büsche in vielen Gärten.

Auf der Insel blühen sehr viele Blumen und Bäume in den Wintermonaten – der Madeira-Blaustern, die Feuerranke, der Trompetenbaum, die Aloe, der Natternkopf, der Korallenbaum und die Fischfang-Wolfsmilch, um nur einige zu nennen.

Auch die Ganzjahresblüher sind nicht zu vergessen, wie die Strelitzie,  die Bougainvillea, die Engelstrompete, die Anturie, der Tulpenbaum, der Hibiskus und so weiter …

Viele Obst- und Gemüsesorten reifen natürlich auch im Winter hier auf Madeira. Von den meisten Arten haben wir mindestens zwei Ernten pro Jahr. Vor drei Wochen hatte ich von unserem Nachbarn riesige und wunderbar intensiv schmeckende Butter-Avocados bekommen.

Eine andere Nachbarin brachte mir kiloweise Pera Meloas vorbei – die sogenannte Birnenmelone oder auch Melone der Anden. Wir konnten gar nicht so viele essen und ich habe Marmelade daraus gemacht. Darüber werden sich dann unsere Gäste sehr freuen.

Sobald die Kaltwetterperiode in den höheren Lagen vorbei ist, können auch wieder die Levadas begangen und die ersten Blüten der Mimosen-Bäume dabei bestaunt werden. Es ist herrlich bei angenehmen Temperaturen um die 20 Grad Celsius einen Spaziergang in den Bergen oder nahe dem Meer zu machen. Die Gewissheit, dass im weit entfernten Deutschland noch alle bei Temperaturen um die 0 Grad frieren, macht diese kleinen Auszeiten noch wertvoller. Hier wird es auch nicht mehr so früh dunkel. Sonnenuntergang ist erst so gegen 18.30 Uhr.

Wer keine Lust auf Blumen und Spazierengehen hat, der kann bei einem Glas Wein, einem frisch gepressten Saft oder einem leckeren Tee stundenlang auf das Meer schauen und den Tag an sich vorbei ziehen lassen. Oder in einem schönen Garten in üppigem Grün die Leichtigkeit des Seins genießen.

Wem das zu ruhig ist, der kann natürlich auch in Funchal flanieren und shoppen – auch wenn Madeira nicht gerade ein Shoppingparadies ist. Aber der Einzelhandel wirbt derzeit mit extrem hohen Rabatten. Da kann es schon mal zu Warteschlangen vor einem Geschäft der großen Modeketten oder einem schönen Schuhladen kommen. Und so mancher Schnäppchenjäger nimmt es mit dem Mindestabstand auch sind mehr so genau. Daher sei jedem, der gerne shoppen geht, keine Angst hat in Desinfektionsmittel zu ertrinken und auch vor der allgemeinen Ansteckungsgefahr nicht zurückschreckt, ein Einkaufsbummel in Funchal ans Herz gelegt.

Die ruhige Zeit aufgrund von Corona hat aber auch ihre Schattenseiten. Viele Hotels und Restaurants und der eben noch erwähnte Einzelhandel kämpfen ums Überleben. Einige der großen Luxushotels, darunter das Reid’s, schließen für einige Wochen und warten ab, wie die Pandemie sich weiter entwickelt. Das ist ziemlich einzigartig, denn weder bei der Spanischen Grippe noch den beiden Weltkriegen schloss das Reid’s seine Türen.

Aber auch das Gegenteil ist der Fall: Viel Enthusiasmus, die Neugründung von Firmen, Renovierungen und Eröffnungen von neuen Hotels und Restaurants, Bars und Läden, prägen derzeit das Bild auf der Insel.

Von daher, lassen wir uns überraschen und beobachten neugierig, was in den kommenden Wochen und Monaten so alles passiert – hier mitten im Atlantik.

Beijinhos
Heike

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